Letzte Änderung: 20. April 2024

Außengelände in Kindertagesstätten sicher und sinnvoll gestalten

Laufen, springen, klettern, balancieren: Außengelände richtig planen

Denkt jemand im Rahmen der PISA-Diskussion eigentlich auch an die Bedeutung der Außengelände von Kindertagesstätten? Wir tun es, denn auch von Kitas wird ein erhöhter "Bildungsbeitrag" erwartet. Wie passen Bildungsbeitrag und Außengelände nun zusammen? Nun, die konsequente Umsetzung derartiger Frühförderansprüche hat auch Konsequenzen für die Gestaltung der Tageseinrichtungen. Und die pädagogische sinnvolle und planerisch sichere Gestaltung des Außengeländes gehört dazu.

Sicherheits- und Aufsichtsansprüche der Eltern

Wegen der Bedenken mancher Eltern zu Gefährdungen im Außenbereich ist in den Einrichtungen eine gewisse Unruhe zu beobachten. Parallel zu ihrem Anspruch nach frühschulischem Lernen macht sich bei einigen Eltern eine Grundängstlichkeit hinsichtlich möglicher Gefahren auf dem Außengelände bemerkbar. Oft werden dabei alltägliche Gefahren wie Stürze oder Insektenstiche stark überbewertet und der Außenaufenthalt deshalb recht kritisch gesehen.

Diese Denkweise führt unter anderem zu einem sehr hohen Sicherheits- und Aufsichtsanspruch. Dadurch kann der Lernnutzen im „Spielraum Außengelände“ – genau gegensätzlich zum bestehenden Bildungsbemühen – leider eingeschränkt werden.

Kinder sollten spielerisch ihre Wurzeln entwickeln!

Funktionsverknüpfung im Kitaalter  Bild: © UKH

Hintergrundwissen zur Entwicklung von Kita-Kindern für die Planung von Außengelände

Planende kommen also nicht umhin, die Nutzergruppe aus pädagogischer Sicht zu betrachten. Besonders eignet sich hierzu ein Blick auf die Entwicklungseigenschaften der Altersgruppe von 3 bis 6 Jahren, dem klassischen Kindergartenalter. Schwerpunktmäßig lässt sich feststellen:

  • Die Motorik der Kinder ist nicht vollständig ausgereift, sondern in Entwicklung.
  • Seh- und Hörfähigkeit sind ebenfalls noch nicht vollständig ausgereift.
  • Die kognitive Belastbarkeit (Konzentration) ist begrenzt.
  • Die Reaktionszeit ist etwa doppelt so lange wie bei Erwachsenen.
  • Die Aufmerksamkeit ist noch stark auf einzelne Objekte fixiert.
  • Lust und Unlust sind bestimmende Handlungsfaktoren

Bewegungsfähigkeit, Wahrnehmung und kognitive Fähigkeiten dieser Altersgruppe sind also noch nicht ausgereift. Dies mag nun zunächst nicht sonderlich verwundern, bekommt aber dann doch eine erhebliche Bedeutung, wenn wir die Verknüpfung dieser Funktionen untereinander betrachten.

Wie wir Abb.1 entnehmen, ist das derzeit vordergründig akzentuierte Bildungsziel „Lernen“ eng verknüpft mit Wahrnehmung und Motorik, die aber im Kindergartenalter noch gar nicht vollständig entwickelt sind. Der Wunsch nach frühzeitigen "schulischen Lernen" muss dies berücksichtigen. Es ist daher mehr als naheliegend, der Entwicklung von Motorik und Wahrnehmung den angemessenen Zeitraum (im wahrsten Sinne des Wortes: Zeit und Raum) zu gewähren, um damit die Grundlage für ein erfolgreiches (späteres) Lernen zu schaffen. Mit diesem Wissen macht es wenig Sinn, auf noch nicht vollständig entwickelte Grundfähigkeiten und unangepasstes vorschulisches Lernen aufzusatteln.

So banal dies klingt und eigentlich auch ist, muss man in der Praxis leider immer wieder feststellen, dass geradezu gegensätzlich gehandelt wird. Wir sollten uns von diesen falschen Lernvorstellungen verabschieden und uns den „Luxus gönnen“, Kinder spielerisch ihre Wurzeln entwickeln zu lassen und damit den Grundstock für eine hohe Lernfähigkeit zu legen.

Anforderungen an ein Außengelände

Das Außengelände ist vordergründig zunächst ein Spielraum. Jedoch ist dieses Spielen mehr als zweckfreie Zeit: Es ist auch wesentlicher Motor der kindlichen Entwicklung. Das Gelände (der Spielraum) muss deshalb altersspezifische Möglichkeiten bzw. Anreize bieten. Wie dies in der praktischen Umsetzung aussieht, ist letztlich planerisches Geschick. Ein Königsweg ist hierbei sicher eine Planung, die das pädagogische Wissen der Erzieher*innen und das technische Können des Planers/der Planerin vereint. Sie brauchen dafür Einfühlungsvermögen, pädagogisches Interesse und vor allem: Bereitschaft zur Moderation.

Unabhängig davon gibt es gewisse Grundanforderungen an strukturelle Planungshilfen. Diese resultieren aus den elementaren Eigenschaften des Spielens, wie:

  • bewegen (laufen, springen, klettern, balancieren ...)
  • ruhen
  • phantasieren
  • gestalten, verändern
  • entdecken, wahrnehmen

Diese Aktivitäten sollten, bezogen auf die speziellen Anforderungen der Einrichtung, geeignete Entfaltungsmöglichkeiten erhalten. Wir wollen hier exemplarisch nun die Bewegung und Bewegungsangebote näher betrachten.

Ein Kleinkind krabbelt gerade durch einen Krabbeltunnel.

Wie Bewegung wirkt

Jedem Kind ist ein natürlicher Bewegungsdrang angeboren. Bewegungen machen Freude, Bewegungen schaffen neue Erfahrungsfelder, die sich schon sehr kleine Kinder übers Krabbeln, Kriechen usw. erschließen. Spätere Lern- und Denkprozesse hängen stark von Bewegungserfahrungen ab, die im Gedächtnis „abgespeichert“ sind. Die Entwicklung von Grob- und Feinmotorik wird wesentlich durch Bewegung bestimmt. Bewegungen bauen aufeinander auf und werden mit zunehmendem Alter immer komplexer, differenzierter und sicherer. Auge-Hand- und Auge-Bein-Koordination sind Voraussetzungen für viele spätere Lern- und Denkprozesse.

Schulisches Lernen ist erst möglich, wenn z. B. bestimmte feinmotorische Abläufe in ihrer Entwicklung abgeschlossen sind. Erst die Koordination vieler verschiedener Muskelbereiche geben dem Kind die Sicherheit, sich an neue Aufgaben heranzuwagen.

Je älter Kinder werden, umso sicherer und zielgerichteter sind ihre Bewegungen, die sich dann auch auf andere Situationen übertragen lassen. So ist z. B. das harmonische Zusammenspiel von Bewegung und Wahrnehmung eine Grundvoraussetzung für die sichere Teilnahme am Straßenverkehr.

Kurzum, Bewegung ist ein wesentlicher Teil der kindlichen Entwicklung und bedarf daher besonderer Berücksichtigung bei der Gestaltung eines Außengeländes.

Bild: © Linas T, Adobe Stock

Der Natur nachempfunden: Sinnvolle Bewegungsangebote

Am Anfang der gesamten Außengeländeplanung stehen die Fragen: Was brauchen ganz speziell diese Kinder? Was genau braucht diese Einrichtung? Und wie können wir Anreize bieten, die von diesen Kindern angenommen und genutzt werden?

Bewegungsangebote sollten so in die Gesamtstruktur des Geländes integriert sein, dass sie in Spielvorgänge eingebunden werden können. In der Praxis findet man z. B. allzu oft den einsam stehenden Wackelsteg, der keinerlei Anbindung an eine Plattform, einen Hügel oder sonstige geeignete „strategische Stelle“ aufweist. Dadurch verliert er für Kinder schnell seinen Spielreiz und dient allenfalls beim Kindergartenfest noch der Gaudi der Erwachsenen.

Geländemodellierung

Alle Formen der Geländemodellierung bieten vielfältige Bewegungsanreize mit hoher Akzeptanz. Hügel, Wälle und Mulden sind natürliche Höhenformationen. Sie bieten viele Bewegungsmöglichkeiten: steigen, rutschen, balancieren und sogar rodeln. In Verbindung mit einfachen Geräten, wie Brücken, Rutschen, Seilrampen und Balancierseilen, können ideale Bewegungsangebote geschaffen werden, die am ehesten einem natürlichen Spielraum nahekommen. In Verbindung mit einer geeigneten Bepflanzung stellen diese Formationen natürlich weit mehr dar als reine Bewegungsangebote.

Bei sehr kleinen Geländen sollte das Anlegen von Hügeln sorgfältig überlegt werden. Die Flächenbelastung (Bodenverdichtung durch Benutzung) ist meist so groß, dass eine Bepflanzung nur kurzzeitigen Bestand hat, der Hügel nach relativ kurzer Nutzung kahl ist und auch so bleibt. Dies kann zu einem ständigen Wartungsaufwand führen mit der Folge, dass die Hügel lieber entfernt werden.

Die Materialien der Fahrwege können unterschiedlich sein, damit sie gleichzeitig weitere Anreize bieten.

Auch Kita-Fahrzeuge wie Laufräder, Dreiräder oder Roller müssen regelmäßig auf ihre Funktionstüchtigkeit hin gecheckt werden.  Bild: © Kristin Gründler, Adobe Stock

Fahrwege ins Gelände integrieren

Kinder lieben Fahrzeuge wie Dreiräder oder Roller. Die oft anzutreffenden monotonen „Fahrterrassen vor den Gruppen“ bieten hier leider nur sehr begrenzte Möglichkeiten der Entfaltung. Sie sollten, wann immer machbar, durch ins Gelände integrierte Fahrwege ersetzt werden, z. B. durch Anlage eines Rundfahrwegs innerhalb der Geländemodellierung. Auf diese Weise können die Kinder ihr Gelände im wahrsten Sinne des Wortes „erfahren“. Die Materialien dieser Wege können unterschiedlich sein, damit sie gleichzeitig weitere Anreize bieten. Beim Anlegen der Wege ist unbedingt auf angemessene Steigungsverhältnisse zu achten. Zu steile Anfahrten nehmen den Bewegungsanreiz und stellen bei der Abwärtsfahrt möglicherweise eine Gefahrenquelle dar.

Eine Schaukel muss sein!

Unabhängig von allen Moden und Entwicklungstendenzen punktet ein Spielgerät völlig unverändert in der Beliebtheit der Kinder und sollte daher auf keinem Spielgelände fehlen: die Schaukel.

Die Schaukel bietet mit ihrem rhythmischen Wechsel zwischen Fallen und Steigen, zwischen Unsicherheit und Gefangenwerden für Kinder faszinierende Möglichkeiten. Über das Schaukeltempo kann dieser Wechsel vom zaghaften Hin und Her bis zum verwegenen Sturz und Wiederaufstieg erlebt werden. So weist die Schaukel – wie kaum ein anderes Gerät – Eroberungspotential auf und lässt das Kind deutlich die eigenen Fortschritte erleben. Verzichten Sie also nicht auf eine Schaukel! Insbesondere bei kleinen Geländen können Schaukeln für mehrere Kinder (Vogelnest, Hängematte) sinnvoll sein.

Sicherheit auf dem Außengelände – Spielen mit Risiko ist lebenswichtig

Sicherheit auf dem Außengelände bedeutet, einen angestrebten Spielwert sicher zu ermöglichen. Überschaubare, kalkulierbare Risiken werden hierbei in Kauf genommen. Mit dieser Einschätzung ist die Präventionsabteilung der UKH in Übereinstimmung mit den Vorstellungen der DIN EN 1176 „Spielplatzgeräte“. Im Beiblatt heißt es sinngemäß: „Die Risiken des Lebens müssen von Kindern erlebbar, erlernbar und damit beherrschbar sein. Spiel mit Risiko ist somit lebenswichtig.“

Selbstverständlich muss das Risiko der jeweiligen Altersgruppe entsprechend sein und genauso selbstverständlich müssen schwere Verletzungen, wie der Verlust von Gliedmaßen, bleibende Schädigungen oder gar tödliche Verletzungen ausgeschlossen werden.

Grundsätzlich kann man Risiken durch Technik, Aufsicht oder „sicheres“ Verhalten bzw. einer Kombination dieser Maßnahmen begegnen. Die Gewichtung dieser Faktoren unterliegt einem steten Wandel. Derzeit sind Tendenzen zu erkennen, durch technische Maßnahmen und umfassende Aufsicht nahezu jedes Verletzungsrisiko auszuschließen.

Dieser nun zunächst verständliche Wunsch missachtet aber, dass verhaltensbezogene Sicherheit nur im Umgang mit Gefahren entwickelt werden kann. Dabei treten selbstverständlich auch Verletzungen im Sinne von Lernprozessen auf.

Die Planung muss dies in angemessener Form berücksichtigen. Sicherheit bedeutet nicht, dass nach abgeschlossener Planung quasi ein „Sicherheitsscanner“ den Plan prüft und hier und da ein paar Maße korrigiert. Sicherheit muss vielmehr integraler Bestandteil der Planung sein.

Das bedeutet im Detail, immer mit Blick auf Alter und esonderen Merkmale der Nutzenden (z. B. Behinderungen):

  • eine reflektierte Geräteauswahl
  • eine zur Nutzung anregende Geländegestaltung
  • Berücksichtigung der bestehenden Sicherheitsvorstellungen der jeweiligen Einrichtung
  • Kenntnis und sichere Anwendung bestehender Normen.
Bild: © Beuth

Beachten der Normen schafft Sicherheit für die Planenden

Während die beiden erst genannten Punkte im Rahmen der Planung eine gewisse Dynamik zueinander aufweisen können, ist die Normenkenntnis ein statischer Fakt. Wir wollen hier nicht die Norminhalte wiedergegeben, dafür existiert umfangreiche Literatur. Es muss aber vor dem Versuch mancher Planer gewarnt werden, sich an dieser Norm vorbeischummeln zu wollen. Schummeln widerspricht zum einen einer pädagogisch reflektierten Planung. Zum anderen bringt es ggf. Probleme bei der Geländenutzung und führt nicht selten zu teuren und auch nicht immer ansprechenden Nachrüstungen.

Die mit der Norm vertrauten Planenden können dies vermeiden. Sie werden darüber hinaus erkennen, dass die Norm trotz vieler Detailregelungen grundsätzlich ausreichenden Gestaltungsspielraum bietet. 

Der vollständige Beitrag findet sich im Handbuch Spielplätze und Freiräume zum Spielen“ (2013) Beuth Verlag.

Häufige Fragen

Hortkinder werden aufgrund des mit den Sorgeberechtigten geschlossenen Betreuungsvertrages beaufsichtigt und betreut. Für diese Kinder besteht Versicherungsschutz auch während der Teilnahme an den Ferienspielen. Die mitgebrachten Freunde sind nicht versichert.

Kinder in Tageseinrichtungen sind für die Dauer des Besuchs grundsätzlich bei allen Tätigkeiten versichert. Der Versicherungsschutz besteht ferner auf den unmittelbaren Wegen sowie in der Zeit, in der die Tageseinrichtung die Obhutspflicht ausübt. Auch von der Kita veranstaltete Ausflüge, Besichtigungen etc. sind versichert. Die Obhutspflicht endet mit dem erlaubten Verlassen der Einrichtung bzw., wenn die Kinder wieder den Eltern übergeben werden.

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