Letzte Änderung: 24. März 2024

Rückengerecht arbeiten in der Kita

Mit diesen Tipps bleiben Erzieher*innen gesund

Für viele Erzieher*innen gehören Rückenschmerzen und Verspannungen zu ihrem Arbeitsalltag. Das ständige Heben und Tragen der Kinder, das gebückte Sitzen auf Kinderniveau und jahrelanges Sitzen an Kindermöbeln, können langfristig die Bandscheibe belasten und zu einer Überbeanspruchung des Muskel-Skelett-Systems führen. Die ergonomische Gestaltung des Arbeitsplatzes kann die körperliche Belastung spürbar vermindern. Vor allem jüngere Beschäftigte profitieren davon, wenn rückengerechtes Arbeiten im Arbeitsalltag (vor)gelebt wird.

Die Gefährdungsbeurteilung beleuchtet z. B. folgende Gefährdungen für den Bereich Ergonomie:

  • Haben Erzieher*innen die Möglichkeit erwachsenengerechtes Mobiliar zu nutzen?
  • Werden Bodensitzgelegenheiten (z. B. Sitzkissen, Bodenstühle) in ausreichender Menge bereitgestellt?
  • Wird das Personal über rückengerechtes Arbeiten unterwiesen?
  • Werden Zwangshaltungen und ungünstige Körperhaltungen weitestgehend vermieden?
  • Stehen Aufstiegshilfen am Wickelplatz zur Verfügung?

Ganz allgemein können Kita-Träger*innen das gesundheitsbewusste Arbeitsverhalten der Beschäftigten stärken und ermöglichen durch

  • gute Personalausstattung,
  • ansprechend gestaltete Pausenräume,
  • erwachsenengerechte Arbeitsplätze, z. B. für Dokumentationstätigkeiten,
  • regelmäßige Unterweisung und Qualifizierung,
  • sowie Angebote der betrieblichen Gesundheitsförderung.

Wer auf Augenhöhe mit den Kindern arbeitet, verbringt viel Zeit auf dem Boden.  Bild: © Kzenon, Adobe Stock

U3-Betreuung geht besonders auf den Rücken

Da die Betreuungskapazitäten für unter Dreijährige stetig ausgebaut werden, steigen die belastenden Körperhaltungen der Erzieher*innen deutlich. Krippenkinder brauchen mehr direkte Aufsicht, Zuwendung und Hilfestellung. Dadurch nehmen pflegerische Tätigkeiten wie Wickeln oder Hilfe beim Toilettengang zu. Die Ausstattung und Möblierung der Räume ist nach den Bedürfnissen und Körpermaßen der Krippenkinder ausgelegt. Tische und Stühle sind noch niedriger. Um Krippenkindern auf Augenhöhe zu begegnen, beugen sich die Erzieher*innen häufiger nach unten. Fehlhaltungen beim Sitzen, bei denen der Oberkörper nach vorne gebeugt und gleichzeitig zur Seite gedreht wird, belasten den Rücken zusätzlich. Auch kniende oder hockende Haltungen beim Spielen auf dem Boden oder beim Ankleiden kommen häufiger vor.

Lösungen für rückenfreundliches Heben, Tragen und Sitzen

Viele körperliche Belastungen lassen sich durch ergonomische Ausstattung und Möbel merklich reduzieren. Wir stellen praxiserprobte Lösungsvorschläge vor:

Ergonomische Sitzmöglichkeiten für die pädagogische Arbeit am Boden

In Kinderkrippen arbeitet man häufig auf dem Boden: Beim Morgen- und Abschlusskreis, beim Spielen und Vorlesen sitzen pädagogische Fachkräfte häufig auf den Fersen oder sie knien. Die Haltung belastet das Kniegelenk. Dadurch verspannt schon nach kurzer Zeit die Rückenmuskulatur. Zur Rückenentlastung werden die Hände aufgestützt oder eine Wand zum Anlehnen gesucht. 
Meditationskissen oder Bodenstühle sind eine kostengünstige Lösung, um Kniegelenke zu entlasten und einen gekrümmten Rücken zu verhindern. 

Hinweis für Kita-Träger und Leitungen: 
Bodenstühle werden häufiger genutzt, wenn mehrere vorhanden sind, sodass immer einer in Greifnähe ist.

Lassen Sie die Mitarbeiter*innen ihre Modelle selbst aussuchen, so steigern Sie die Akzeptanz.

Auch abgestufte Spiellandschaften für Krippenkinder schaffen eine ergonomischere Arbeitsweise. So können Erzieher*innen verschiedene Sitzpositionen einnehmen und sind dennoch mitten im Geschehen.

Kinderstühle sind für Erwachsene nicht ergonomisch!  Bild: © DGUV

Wenn Erwachsene an Kindermöbeln sitzen: Gönnen Sie sich Abwechslung

Egal wie Sie es drehen und wenden – das Sitzen an Kindertischen ist nicht rückengerecht. Da die Beine nicht unter den Tisch passen, setzen sich Erzieher*innen parallel zum Tisch: Um auf Augenhöhe zu bleiben, beugt man sich nach vorne und verdreht dabei gleichzeitig Hals- und Lendenwirbelsäule. Die Wirbelsäule befindet sich also gleich in zweifacher Zwangshaltung. Dies führt bei längerer Belastung zu einer Beanspruchung der Bandscheiben. Richten Sie deshalb Ihren Körper immer nach der Arbeitsrichtung aus! Eine gerade Sitzposition schont den Rücken.

Aber: es kommt auf das Gesamtsitz-/ Bewegungsverhalten an. Langes statisches Sitzen ohne ausgleichende Bewegungen kann die Beanspruchung steigern. Dynamisches Sitzen bzw. nur kurzzeitiges Sitzen beugt Beanspruchungen vor. Regelmäßiger Ausgleich und wechselnde Haltungen (sitzen und stehen) sind also wichtig, um die Belastung so gering wie möglich zu halten.

Die üblichen „Sitz-Zeiten“ der Erzieher*innen liegen bei ca. 2, 5 h/ Tag. Es ist also wichtig für eine ergonomische Sitzhaltung und eine rückengerechte Arbeitsweise zu sorgen. Diese verlangt in der Regel einen Tisch in Erwachsenenhöhe sowie einen geeigneten Stuhl. Damit dieses Sitzsystem realisiert werden kann, muss die Sitzhöhe der Kinder an die „Erwachsenentischhöhe“ angepasst werden z. B. durch höhenverstellbare Kinderstühle. Bei Personen mit kleiner Körpergröße kann eine angemessene Sitzposition ggf. auch durch die Verwendung tief einstellbarer Bürodrehstühle erreicht werden. Die üblichen Kinderstühle können bei dieser Lösung beibehalten werden.

Die Anschaffung ergonomischer Möbel ist ein Kostenfaktor. Testen Sie deshalb die Modelle unterschiedlicher Händler und Hersteller, um den am besten geeigneten Stuhl zu finden.

Eine ergonomische Ausstattung hilft Ihnen, die Belastungen beim Schuh- und Kleiderwechsel der Kinder zu reduzieren!

Anziehpodeste entlasten den Rücken und sind schnell gebaut  Bild: © kommmitmensch, DGUV

Anziehpodeste für den Schuh- und Kleiderwechsel

Wer Kinder an- und auskleidet, muss den Oberkörper stark nach vorne beugen. Häufig ist der Rücken dabei rund und dabei noch zur Seite gedreht. Das belastet Rückenmuskulatur und Bandscheiben. Der Fersensitz beim Schuhwechsel belastet vor allem die Knie. Je nachdem, wie viel Platz der Garderobenbereich bietet, können Sie mit dieser Ausstattung die Belastung reduzieren:  

Anziehpodeste und Rollhocker
Das Kind betritt das Podest über eine kleine Treppe, die zur Unterstützung mit einem Handlauf versehen sein kann. Oben angekommen, findet es Halt an einer Brüstung. Der/die Erzieher*in sitzt in erwachsenengerechter Höhe dem Kind gegenüber. Daher muss an eine Aussparung für die Knie zwischen Sitzfläche und Podest gedacht werden.

Extra-Tipp: Bauen Sie sich ihr Anziehpodest mit unserer DIY-Anleitung selbst!

Pluspunkt: In der aufrechten Sitzhaltung nimmt man sich leichter die Zeit, das Kind zu motivieren, sich selbstständig anzuziehen oder doch bei Bedarf beim Anziehen zu helfen. Gibt es nicht genug Platz für ein Anziehpodest, so bietet sich der Einsatz eines Rollhockers im Garderobenbereich an.

Achtung: Je nach Höhe der Standfläche darf das Anziehpodest für Krabbelkinder nicht frei zugänglich sein!

Das ständige Heben auf den Wickeltisch kann ganz schön die Lendenwirbelsäule belasten.  Bild: © anetlanda, Adobe Stock

So wickeln Sie rückenschonend

Gerade nach dem Essen oder vor dem Schlafen ist die Anzahl der Wickelvorgänge sehr hoch. Einige Wickelplätze verlangen eine gebückte Haltung. Zusätzlich belastet das Hochheben des Kindes die Bandscheiben. Ruckartige Bewegungen des Kindes können die Belastungssituation noch verstärken.

So lassen sich die ungünstige Körperhaltung und das Heben einfach vermeiden: 
Elektrisch höhenverstellbare Wickeltische ermöglichen eine individuelle Anpassung der Arbeitshöhe an die Körpergröße der Beschäftigten. Weit verbreitet sind Wickelkommoden mit Aufstiegshilfen, die Kinder selbstständig erklettern können. Um ein unerlaubtes Hochklettern auf den Wickeltisch zu verhindern, muss die Aufstiegshilfe natürlich gesichert sein. Praktische Lösungen sind z. B. versenkbare Auftritte oder Schutz-Türchen. 

In Wickeltische integrierte mobile Aufstiegshilfen müssen für Erwachsene leicht ausziehbar und auch feststellbar sein. Um aufrechtes Arbeiten zu ermöglichen, ist unterhalb der Wickelanlage ausreichender Freiraum für Füße und Knie vorzusehen. Mit einer integrierten Duschtasse wird das Säubern erleichtert und Hebevorgänge reduziert. Zeitsparend sind zusätzliche Stehwickelplätze für ältere Wickelkinder. Die Höhe des Podestes ist so zu wählen, dass sie das stehende Kind wickeln können, während sie auf einem Rollhocker sitzen. 

Um aufrechtes Arbeiten zu ermöglichen, ist unterhalb der Wickelanlage ausreichender Freiraum für Füße und Knie vorzusehen.

Schlafbegleitung ergonomisch gestalten

Werden Räume nicht ausschließlich zum Schlafen genutzt, müssen die Schlafgelegenheiten meist umständlich hergerichtet werden. Es werden also regelmäßig schwere Einrichtungsgegenstände gehoben und getragen. Auch diese Tätigkeiten belasten die Bandscheiben enorm. Besser sind deshalb Schlafräume mit festen Schlafplätzen.

Ideal für Krippenkinder und Erzieher*innen sind leichte Krippenbetten aus Schaumstoff. Sie sind schnell aufgestellt und Krippenkinder können sie selbstständig erklettern und verlassen. Sie lassen sich einfach transportieren und sind platzsparend stapelbar.

Achten Sie bei Gitterbetten darauf, dass einige Stäbe herausnehmbar sind, damit die Kinder eigenständig hinein- und hinauskrabbeln können. Auch das spart unnötige Hebe- und Tragevorgänge. Ausreichend Bewegungsfläche zwischen den Schlafplätzen, eine blendfreie Beleuchtung und ein rückenfreundlicher Sitzplatz runden eine ergonomisch gestaltete Schlafbegleitung ab.

Weitere Informationen

  • IFA Report über das Projekt ErgoKita.
    Initiiert wurde das Projekt von den Unfallkassen Hessen, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen sowie der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege. Mehr zum Projekt.
  • Das Forschungsprojekt STEGE der Unfallkasse Nordrhein-Westfalen beleuchtet die Wechselwirkung zwischen strukturellen Rahmenbedingungen und den gesundheitlichen Ressourcen und Belastungen des pädagogischen Personals.

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