Letzte Änderung: 19. März 2023

Praxishilfe zur Aufsichtspflicht für Erzieher*innen, Leitungen von Kindertageseinrichtungen und Horten

Rechtlicher Rahmen und persönliche Betroffenheit: Warum Aufsichtspflicht immer zwei Seiten hat

Die Aufsichtspflicht ist in einer Einrichtung wesentlicher Bestandteil der pädagogischen Arbeit. Fragen zur Aufsichtspflicht erfordern daher immer eine gründliche Klärung, die zur Sicherheit aller Beteiligten beiträgt und die ggf. auch eine bessere Ausnutzung des möglichen pädagogischen Rahmens erlaubt.

In der Praxis erweist sich die Lösung derartiger Fragestellungen allerdings nicht immer als ganz einfach. Ein häufiger Grund dafür ist, dass die verschiedenen Ebenen der Problematik vermischt werden: Einerseits gilt es, rechtliche Belange (Versicherungsschutz und Haftung) zu berücksichtigen, andererseits stehen vielleicht subjektive Einschätzungen der Beteiligten im Raum. Lösungswege sind manchmal schwer erkennbar, man findet sie nur durch systematisches Vorgehen. Wir möchten Erzieher*innen unterstützen, die Thematik insbesondere bei pädagogischen Fragestellungen fachlich fundiert zu beurteilen.

Mit dem Betreuungsvertrag übertragen die Eltern die Personensorge für die Betreuungszeit auf den Träger der Kindertageseinrichtung.

U3-Kinder brauchen eine besondere Beaufsichtigung.  Bild: © natalialeb, Adobe Stock

Hintergrundwissen zur Aufsichtspflicht – eine Reihe von Delegationen

Die Aufsichtspflicht ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) verankert. Gemäß § 1626 BGB obliegt die Personen- und Vermögenssorge den Eltern eines Kindes. Mit dem Betreuungsvertrag übertragen die Eltern die Personensorge für die Betreuungszeit auf den Träger der Kindertageseinrichtung, der diese dann wiederum auf die Leitung delegiert. Diese wiederum gibt Detailaufgaben an die pädagogischen Fachkräfte bzw. ggf. andere Personen weiter.

Während die Leitung im Sinne der Aufsichtspflicht für den übergeordneten Rahmen verantwortlich ist (zentrale Fragen, Einsatz des Personals etc.), verbleibt die unmittelbare Beaufsichtigung der Kinder im Aufgaben‐ und Verantwortungsbereich der Erzieher*innen. Die pädagogische Fachkraft ist daher in der Alltagsarbeit kontinuierlich gefordert, diese Aufgaben zu bewältigen. Bei vielen Fragestellungen geht das auch problemlos, „so ganz nebenbei“.

Dennoch generiert die Ausgestaltung der Aufsichtspflicht oft ein Fragenpotential in Bezug auf handelnde Personen und Einrichtung, das mitunter gehörig Unruhe in die pädagogische Arbeit bringen kann. Die Folge kann eine Belastung für die Fachkraft sein und ggf. sogar zu Spannungen innerhalb eines Teams führen. Umgekehrt wird die Aufsichtspflicht gerne als Austragungsort ungelöster Konflikte im Team, zwischen Team und Leitung und sogar zwischen Eltern und Einrichtung benutzt.

Abbildung 1: Konflikt in der Aufsicht

Wenn die Aufsicht zum Problem wird

Erziehung verlangt einerseits die Gewährung von Freiheiten bzw. Freiräumen, andererseits aber auch die nötigen Sicherheitsaspekte, z. B. die Aufsicht. Pädagogisches Handeln beinhaltet somit immer eine Mischung aus Lassen und Beschränken. Die konkrete Ausgestaltung dieser Mischung wird durch den gesellschaftlichen Rahmen vorgegeben und ist somit einem steten Wandlungsprozess unterworfen. Lassen und Beschränken als widerstrebende Ziele können naturgemäß zu Konflikten führen. Dies klingt nun zunächst beunruhigend, ist es aber nicht wirklich, wenn es gelingt, den jeweiligen Konflikt zu erkennen und zu lösen.

Problematisch wird es erst dann, wenn ein Konflikt ungelöst weiterbesteht und im Hintergrund als Auslöser von Unsicherheit und Angst wirkt. In der Praxis ist dies gar nicht so selten. Hartnäckige, scheinbar unlösbare Aufsichtspflicht-Probleme kann man z. B. oft beim Thema Schwimmbadbesuch beobachten.

Obwohl sich ein Team eigentlich zum Schwimmbadbesuch mit einer Kindergartengruppe entschlossen hat, sind trotzdem wesentliche Fragen wie Gruppengröße, Betreuungsschlüssel etc. beständig in der Diskussion.

Ein diffuses Unbehagen herrscht darüber, ob der Schwimmbadbesuch denn nun wirklich sicher ist. Medienberichte über einen aktuellen Schwimmbadunfall heizen diese Ängste an und führen nicht selten dazu, alle Aktivitäten rund ums Schwimmen einzustellen.

Dieses ambivalente, unsichere Verhalten zeigt, dass ein bestehender Konflikt innerhalb des Teams oder auch nur bei einzelnen Erzieher*innen keine ausreichende Lösung gefunden hat. Bei der Ursachenforschung wäre daher jetzt zunächst zu prüfen,

  • ob sachliche Fehler bei der Organisation des Schwimmbadbesuchs gemacht wurden (z. B. Wahl eines ungeeigneten Schwimmbades etc.), oder
  • ob hier eher „subjektive Sichtweisen“ am Werke sind.

Sachliche Fehler lassen sich relativ einfach analysieren und „abstellen“. Subjektive Sichtweisen sind dagegen deutlich schwieriger zu behandeln. Manchmal zeigt sich aber auch bei der Beseitigung sachlicher Fehler, dass damit die „Schwimmbad-Angst“ nicht verschwunden ist, sich allenfalls die Argumente geändert haben. Hartnäckige Aufsichtspflichtprobleme haben ihre Ursachen überwiegend auf der persönlichen Ebene der Erzieher*in.

Rechtliche Vorgaben als Mittel zum Zweck?

In der Praxis kommen diese Fragestellungen allerdings weniger „persönlich“ daher, sondern verstecken sich gerne hinter rechtlichen Gegebenheiten, wie Versicherungsschutz oder Gerichtsurteilen. Hier mögen im Einzelfall durchaus Fallstricke vorhanden sein, häufig wird die rechtliche Seite aber als Mittel zum Zweck benutzt. Die folgende Darstellung verdeutlicht die Aufteilung der Aufsichtspflicht in einen persönlichen bzw. rechtlichen Teil.

Aufteilung der Aufsichtspflicht

Persönlicher Anteil Rechtlicher Anteil
• Persönlichkeitsstruktur
• Erfahrungen
• persönliche Situation
• Gerichtsurteile
• Versicherungsschutz

„Mach dich schlau“: Rechtlichen Anteil der Bedenken klären und lösen

Ängste machen sich also gerne an Gerichtsurteilen oder Fragen des Versicherungsschutzes fest. Letztere können eigentlich immer relativ rasch mit einer Anfrage bei Unfallkasse oder Berufsgenossenschaft geklärt werden und sind in der Regel wesentlich klarer, als dies dargestellt wird.

Wer sich hinsichtlich Fragen der Aufsichtspflicht an Gerichtsurteilen orientieren möchte, muss dies mit der notwendigen Umsicht tun. Der einfache Urteilstenor, wie: „Kind beim Weglaufen verunglückt – Erzieherin verurteilt“, mag zwar die hartnäckige Meinung: „Du stehst immer mit einem Bein im Gefängnis“, bestätigen, hilft aber letztlich nicht weiter. Will man sich also an Gerichtsurteilen orientieren, kommt man an der Lektüre der Urteilsbegründung nicht vorbei. Hierbei handelt es sich in der Regel um die detaillierte Bewertung eines Einzelereignisses, die zur Übertragung auf Alltagssituationen nur bedingt taugt. Zudem sind gerichtliche Entscheidungen keine fixen, verbindlichen Größen, die immer und überall gelten. Gerichtsurteile können daher bei Fragen der Aufsichtspflicht eine reflektierte Entscheidungsfindung nicht ersetzen. Sie können jedoch zum Anlass genommen werden, das eigene Handeln hinsichtlich der speziellen Thematik zu hinterfragen.

Verstärkt der „persönliche Anteil“ die Ängste?

Um beim Beispiel Schwimmbadbesuch zu bleiben, so ist es der allgemeinen Lebenserfahrung geschuldet, dass auf Grund von Persönlichkeitsstruktur und Erfahrungen ganz individuelle Einstellungen zum Schwimmen bestehen. Diese können positiver, negativer oder neutraler Art sein. Jede Einstellung ist völlig wertfrei zu tolerieren. Wichtig – im Sinne unserer Thematik – ist nur eins: Werden Aufsichtsprobleme beim Schwimmen auf der Sachebene subjektiv als unlösbar angesehen, so muss die persönliche Seite mitbetrachtet werden. Und das ist in der Praxis sicher nicht immer einfach.

Entscheidend ist die eigene Erkenntnis, dass es bei Aufsichtsfragen immer eine rechtliche und eine persönliche Ebene gibt, und dass man ggf. auf der persönlichen Ebene nicht so ganz mit sich im Reinen ist. Hilfestellungen können Gespräche oder der Gedankenaustausch mit der Leitung und/oder dem Team sein.

Beispiel Schwimmbadbesuch

Beispielsweise kann die Frage im Raum stehen: „Verbinde ich den Besuch des Schwimmbads wesentlich stärker mit negativen Vorstellungen von Ertrinken, Krankheitsübertragung oder Ähnlichem, als meine Kolleg*innen dies tun?“ Hat man den Mut, sich dies einzugestehen, gibt es die Möglichkeit, daran zu arbeiten. Die Alternative ist, das wenig geliebte Schwimmbad zu meiden und künftig anderen zu überlassen.

Nun mag die zweite Möglichkeit zunächst nicht zum Bild engagierter Erzieher*innen passen. Wichtiger ist es aber, dass alle Beteiligten ihre individuellen Eigenschaften realistisch einschätzen und sich nicht aus falschem Ehrgeiz verbiegen. Nicht selten stellen Erzieher*innen, die sich mit einer Aufsichtssache vielleicht schon Jahre „herumschlagen“, beständig die eigene Überzeugung zurück. Hin‐ und hergerissen zwischen Wollen und nicht Können halten sie beständig das Thema „am Kochen“ – keine gute Lösung!

Bild: © Gorilla, Adobe Stock
Kind mit Badekappe, Schwimmbrille und Handtuch steht vor einem Schwimmbecken.

Doch Aufsichtsfragen brauchen klare Antworten, wozu auch ein „Nein“ zählt. Wer also Vorhaben wie „Klettern im Baum“ nur mit Schweißausbrüchen erträgt und hieran auch nichts ändern kann, sollte die Aufsicht der befürwortenden Kollegin übertragen und sich dafür im Bereich eigener Stärken engagieren. Diese Entscheidung vermittelt nicht nur der Erzieherin, sondern auch den kletternden Kindern ein besseres Gefühl.

Da diese Selbsterkenntnis durchaus nicht leicht ist, muss man bei hartnäckigen Problemen ggf. auf Hilfe von außen zurückgreifen (Fachberatung oder andere geeignete Stelle). Wichtig: Es sollte eine Hilfe zur Selbsthilfe sein.

Wir haben eingangs festgestellt, dass sicheres pädagogisches Arbeiten aus dem gelungenen Abwägen zwischen Lassen und Beschränken hervorgeht. Nachdem wir unsere eventuell eingeschränkte Beurteilungsfähigkeit näher kennengelernt haben, benötigen wir ein „objektives Instrument“, das uns bei der Lösungssuche hilft.

Das praktische Prüfschema für Aufsichts-Fragen

Zum Thema Aufsichtspflicht gibt es eine Vielzahl von Veröffentlichungen und Literatur. So hilfreich der schnelle Blick in die Lektüre sein mag, er kann nicht immer zum Ziel führen. Pädagogik bedarf des steten Eingangs auf neue Situationen, und Vorhaben werden mit einer gewissen Regelmäßigkeit zu bewerten sein. Hierzu benötigen die Fachkräfte ein verlässliches Instrument, das sie in die Lage versetzt, ihrer pädagogischen Arbeit auch hinsichtlich Aufsichtsfragen selbständig nachzukommen. In ihrem Buch „Aufsichtspflicht in Kindertageseinrichtungen“ bieten Simon Hundmeyer und Burghard Primmer-Jüsten ein Handlungsschema, das wir Ihnen  leicht modifiziert vorstellen möchten.

Das Prüfschema
  • Prüfen des pädagogischen Rahmens

Ist das Vorhaben für einen Dritten pädagogisch nachvollziehbar begründet?

  •  Prüfen der Detailanforderungen

Informationspflicht / Überwachungspflicht / Pflicht zum Eingreifen, Handeln

  • Reflektierte Entscheidung
Entscheidungstransparenz

Damit ein Vorhaben erfolgreich umgesetzt werden kann, muss es im jeweiligen Gesellschaftsrahmen als pädagogisches Tun akzeptierbar sein. Wir müssen uns also die Frage stellen, ob Außenstehende (Dritte) unser Handeln als pädagogisch begründet nachvollziehen können.

Für die Praxis heißt das, zwei Fragen zu stellen:

  • Welchem pädagogischen Zweck dient das Vorhaben?
  • Stehen mögliche Risiken in einer vernünftigen Relation zu diesem Zweck?

Wenn wir das pädagogische „Ja“ haben, müssen wir unser Vorhaben im Detail ausgestalten:

  • umfassendes Wissen über alle beteiligten Faktoren erlangen
  • notwendige Maßnahmen ableiten
  • sowie klar strukturierte Entscheidungen treffen, die man auch nach außen transparent darstellen kann.

Wir visualisieren das Thema im Folgenden am Beispiel: „Kinder alleine auf dem Außengelände“.

Der erste Schritt: Prüfen des pädagogischen Rahmens

In Kindertageseinrichtungen ist es manchmal üblich, Kinder in Kleingruppen alleine auf das Außengelände zu lassen. Als pädagogische Begründung hierfür wird die (gesetzlich verankerte) Erziehung zur Selbstständigkeit genannt. Kinder können auf Grund der heutigen Lebenssituation zu selten ohne ständige Einwirkung von Erwachsenen in Gruppen agieren, so dass notwendige Sozialerfahrungen eingeschränkt werden. Diese Begründung ist nachvollziehbar. Sie beschreibt die gesellschaftliche Tatsache „der organisierten Kindheit“ und dürfte auch im Zweifelsfalle überzeugend darstellbar sein. Der pädagogische Hintergrund des Vorhabens ist daher gegeben.

Der zweite Schritt: Prüfen der Detailanforderungen

Nun kommen wir zu den Rahmenbedingungen, die geklärt werden müssen, bevor es ans „Alleine-draußen-spielen“ geht.

Informationspflicht für Erzieher*innen und Erziehungsberechtigte
Zunächst müssen sich Team und Leitung selbst über den jeweiligen Rahmen des Vorhabens klar werden. Vor dem „Alleine-draußen-spielen“ werden folgende Fragen gestellt und beantwortet:    

  • Wie ist das Außengelände beschaffen? Eignet es sich für das Vorhaben oder gibt es Probleme, z. B. durch eine unzureichende Einzäunung? Ist das gesamte Gelände geeignet oder muss man sich auf Teilbereiche beschränken?
  • Welchen Altersgruppen kann man das Alleine-Spielen ermöglichen? Welche „Unverträglichkeiten“ sind bei der Gruppenzusammensetzung ggf. zu beachten?
  • Welchen Kindern kann aufgrund eines erwartbaren Verhaltens ggf. nicht oder nur bedingt das „Alleine-draußen-Spielen“ erlaubt werden?
  • Welche Regeln müssen wir aufstellen und auch den Kindern vermitteln?
  • Gibt es Vorgaben von Seiten des Trägers?
  • usw.

Erst, wenn das Team diese Punkte intern geklärt hat, werden die Eltern einbezogen und informiert. Sie sollten den pädagogischen Hintergrund des Vorhabens verstehen und die Entscheidung auf diese Weise mittragen können. Letzteres ist heute nicht durchgängig vorauszusetzen. Eine übermäßige Unsicherheit der Eltern bis hin zur Überbehütung können dem „Alleine Spielen“ entgegenstehen. In diesen Fällen muss die Einrichtung Überzeugungsarbeit leisten. Sinnvoll ist es, diese Thematik ins pädagogische Konzept der Einrichtung aufzunehmen.

Überwachungspflicht
Auch Kleingruppen auf dem Außengelände bedürfen einer Beaufsichtigung. Sie sieht aber anders aus als die sonst übliche Dauerpräsenz der Erzieher*innen. In der Praxis haben sich der Blickkontakt durch ein Gruppenraumfenster oder eine Kontrollregelung in geeignetem Zeitabstand bewährt. Der Kontrollrahmen hängt von den jeweiligen Gegebenheiten ab und kann sicher bei erprobten Gruppen weiter gesteckt sein als bei neuen Kindern und Gruppen.

Pflicht zum Eingreifen und Handeln
Die Erzieher*innen greifen natürlich ein, wenn sie bei der Kontrolle Fehlverhalten bemerken. Beim „Alleine-draußen-Spielen“ kommt es insbesondere darauf an, Regelverletzungen zu ahnden und mit den Betroffenen die Zwischenfälle im Sinne einer Handlungskonsequenz zu reflektieren.  

Reflektierte Entscheidung auf Basis von Fragekompetenz
Die oben (sehr grob) durchgeführte Aufbereitung des Vorhabens „Kinder alleine draußen“ zeigt, dass die Analyse der Rahmenbedingungen und die anschließend festgelegte Maßnahme helfen, die gesamte Entscheidung transparent zu machen:

  • mögliche Schwachstellen werden erkennbar,
  • ein hohes Maß an Sicherheit wird erreicht
  • und fahrlässiges Handeln wird mit hoher Wahrscheinlichkeit vermieden.  

Das Verfahren zeigt uns auch, dass wir Fragen vielleicht von vornherein anders stellen müssen. Also nicht: „Dürfen Kinder alleine nach draußen?“, sondern vielmehr: „Welche sind die konkreten Anforderungen, die es ermöglichen, Kinder alleine draußen spielen zu lassen?“ Kompetenz bei der Fragestellung zu besitzen, ermöglicht es nun bei Bedarf, zielgerichtet zu fragen und dann eben auch verwertbare Antworten zu erhalten.

Rechtliche Fragen zur Aufsichtspflicht beantworten

Viele Fragestellungen bedürfen der Würdigung der aktuellen Rechtslage (z. B.: „Darf ein Kind alleine nach Hause gehen?“) Laien können dies in der Regel nicht beurteilen, sie brauchen Hilfe. Die gute Nachricht: Das Fragengebiet ist überschaubar und wird in der Literatur gut aufbereitet. Das Buch „Aufsichtspflicht in Kindertageseinrichtungen“ beinhaltet einen Fragenkatalog, der die gängigen Fragen abdeckt und praxisnahe Lösungen bietet. Der Versicherungsschutz der Kinder gehört ebenfalls in die Kategorie „rechtliche“ Fragen. In Hessen gibt Ihnen die Unfallkasse Hessen Antwort auf Ihre Fragen.

Aufsicht ist vom Kindesalter abhängig

Während Krippenkinder auf Grund ihres Entwicklungsstands noch eine sehr umfassende Aufsicht benötigen, müssen Hortkinder schon in einem erheblichen Umfang Gefahren selbstständig bewältigen. Sie brauchen weitaus weniger Aufsicht.

In der kindlichen Entwicklung muss sich also ein Prozess der Sicherheit vollziehen können: von der überwiegenden Beaufsichtigung im Kleinkindalter hin zum sicheren, eigenständigen Verhalten im höheren Kindesalter, in der Jugend und letztlich im Erwachsenenalter (siehe Abb. 5).

Die nötige Sicherheit setzt sich hierbei aus
A = Aufsicht, T = Technik und V = Verhalten zusammen.

Am Beispiel Straßenverkehr wird deutlich, dass auch die Erwachsenen gewisse Kontrollmechanismen ihres Verhaltens brauchen. Die Prozent-Angaben sind qualitativ zu sehen, d. h., sie stellen nur die prinzipiellen Größenordnungen dar. Den in Abb. 5 dargestellten linearen Verlauf gibt es so natürlich nicht. Das Verhalten kann sich zwar in gewissem Grad linear entwickeln, wird aber in bestimmten Altersbereichen Entwicklungssprünge aufweisen, die in der Treppung (Abb. 6) schematisch berücksichtigt wurden. Für den Kita‐Bereich ist die Altersspanne 0-10 Jahren von besonderer Bedeutung.

Abbildung 6 fokussiert daher auf diesen Bereich. Entwicklungsschritte in späteren Jahren (Pubertät) werden nicht dargestellt. Wichtig bei dieser Betrachtung ist auch die Berücksichtigung der individuellen Entwicklung des einzelnen Kindes, die natürlich stark variieren kann.

Schaubilder: Sicherheitsgerechtes Verhalten als lineare Entwicklung

Was können Kita-Leitungen und Erzieher*innen daraus lernen?

Zum einen, dass die Aufsicht bei der Sicherheit des Krippenkindes noch einen erheblichen Anteil hat: Sie ist quasi die wesentliche Sicherungsmaßnahme. Flankierende technische Sicherungen wie Gitter etc. können eine entsprechende Beaufsichtigung nie vollständig ersetzen. Diese Tatsache findet auch ihren Niederschlag in der Rechtsprechung. Erfahrungsgemäß legen Gerichte bei Aufsichtspflichtverletzungen in der Altersgruppe der Ein- bis Zweijährigen recht enge Maßstäbe an.

Zum anderen sollen die „engen“ Aufsichtsanforderungen der Krippe nicht – wie tendenziell zu beobachten – auf das Kindergartenalter übertragen werden. Das Kindergartenkind muss im Altersbereich von etwa drei bis sechs Jahren eine Entwicklung durchlaufen können, die aus dem Kleinkind ein schulfähiges Kind macht. Es muss auf dem Schulweg und auf dem Schulhof schon in erheblichem Maße Gefahren selbst einschätzen und bewältigen können. Es wäre somit falsch, diese Entwicklung im Kindergarten mit einer unangemessen engen Aufsichtsführung zu behindern. Vielmehr sollte die Altersgruppe lernen, mit altersgemäßen Gefahren umzugehen.

Die aktuell häufig von Seiten der Eltern geforderte „Rund‐um‐Sicherung“ ihrer Kinder ist aus diesen Gründen wenig förderlich und stellt in Wahrheit keinen Sicherheitsgewinn dar!

Im Hortalter, also von etwa sechs bis zwölf (bzw. 14) Jahren, verlagert sich die Aufsichtsführung zunehmend auf die Vorgabe von Regeln, deren Einhaltung überprüft wird. Bildlich gesprochen laufen die älteren Hortkinder schon „an der langen Leine“, sie sollten aber noch merken, dass die Leine vorhanden ist. Man sollte berücksichtigen, dass der Hort einen anderen Aufsichtsrahmen braucht als der Kindergarten. Hortkinder benötigen ebenfalls altersgemäße Erprobungsmöglichkeiten, um sicheres Verhalten entwickeln zu können.

Häufige Fragen

Unsere Empfehlung: Konzentrieren Sie sich auf Dinge, die Sie selbst kontrollieren können (Gestaltung des Tages, Zeitpunkt der Informationsaufnahme, Einhalten von Hygieneregeln).

Nutzen Sie möglichst seriöse Medien, um sich zu informieren und halten Sie sich an die Regelungen Ihres Arbeitgebers zu Hygienemaßnahmen. Kümmern Sie sich aktiv um Ihre Sicherheit und um die anderer Personen: So beeinflussen Sie Situationen selbst und leisten einen Beitrag für die Gemeinschaft. Behalten Sie möglichst Ihre Routinen und den Tagesablauf ein – planen Sie Ihren Arbeitstag im Homeoffice mit Arbeitsbeginn, Pausen und Arbeitsende. Fokussieren Sie auf Positives, z. B. den starken Zusammenhalt in Ihrem Team.

Suchen Sie das Gespräch und Lösungen mit Vorgesetzten und Kolleg*innen, wenn Sie Ängste oder Probleme haben. Tauschen Sie sich mit für Sie wichtigen Bezugspersonen aus und versuchen Sie nicht, alles mit sich selbst auszumachen. Und scheuen Sie sich nicht, Hilfe außerhalb Ihrer Arbeit zu suchen und anzunehmen. Der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen betreibt z. B. eine kostenfreie Hotline. Das Angebot ist anonym und täglich von 08:00 bis 20:00 Uhr unter der Nummer 0800 7772244 geschaltet.

Die Gruppe der betreuten Kinder sollte möglichst klein sein. Pädagogische Fachkräfte mit einem höheren Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf sollten nachrangig zur Betreuung eingesetzt werden. Sie können ggf. mit dem betriebsärztlichen Dienst bzw. Hausarzt*Hausärztin die grundsätzliche Arbeitsfähigkeit abklären. Krankheitsverlauf und demografische Einflüsse.

Wenn Beschäftigte erfahren, dass sie innerhalb der letzten 14 Tage Kontakt zu einer Person hatten, die mit SARS-CoV-2 infiziert ist, dürfen sie die Kindertageseinrichtung nicht betreten. Dasselbe gilt, wenn sie während der Kinderbetreuung erfahren, dass Kontakte zu einer infizierten Person bestanden. In diesem Fall entscheidet der Träger in Absprache mit dem zuständigen Gesundheitsamt, ob die Person weiter in der Betreuung eingesetzt werden kann und darf. RKI „Entlassungsmanagement“.

Nein, das ist zurzeit nicht möglich. Grundlage für die (Weiter-)Beschäftigung von stillenden oder schwangeren Frauen in der Kita – und auch in anderen Arbeitsbereichen – ist die Gefährdungsbeurteilung. Ohne Gefährdungsbeurteilung greift das Beschäftigungsverbot (§10 Abs. 3 MuSchG).

Weist die Gefährdungsbeurteilung eine unverantwortbare Gefährdung der Schwangeren auf, so kommt vielleicht eine Umsetzung in Frage, z. B. für Verwaltungsaufgaben in einen unkritischen Bereich. Vorrangig sollten aber die Arbeitsbedingungen verändert werden.

U. a. heißt das: Kontaktverbot mit Kolleg*innen, Kindern, Eltern, Kund*innen, Patient*innen etc. sowie Arbeiten von zu Hause aus. Als letzte Möglichkeit kommt die Freistellung in Betracht. Diese Maßnahmen hat der Arbeitgeber eigenverantwortlich umzusetzen. Es bedarf hier keiner ärztlichen oder behördlichen Bestätigung.

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