Letzte Änderung: 23. März 2024

Informationen für Betroffene und Angehörige nach einem Trauma

Was tun nach einem traumatischen Erlebnis?

Ein psychisches Trauma kann jeden Menschen treffen. Doch wie verhalte ich mich nach einem traumatischen Ereignis? Wie kann ich Angehörigen nach einer traumatischen Erfahrung helfen? Damit Sie sich nicht mehr so hilflos fühlen und Ihre Angehörigen unterstützen können, finden Sie in diesem Artikel Informationen darüber, was bei einem Trauma passiert und wie Sie helfen können.

Konflikte und Auseinandersetzungen gehören zu unserem Alltag. Im Laufe unseres Lebens haben wir individuelle Bewältigungsstrategien für sie entwickelt. Oftmals deutet sich ein Konflikt (z. B. berufliche Probleme) schon im Vorfeld an und man kann sich darauf vorbereiten. Ein wesentliches Merkmal von traumatisierenden Situationen ist jedoch, dass sie sich plötzlich und unerwartet ereignen, sie lassen sich nicht planen, sind plötzlich einfach da, belasten sehr. Alle vertrauten und erprobten Mittel und Wege, die bisher ausgereicht haben, um schwierige Situationen zu bewältigen, funktionieren nicht. Angst, Ohnmacht und Hilflosigkeit machen sich breit. Solche seelischen Traumata oder Psychotraumata überfordern den psychischen Bewältigungsapparat: Es gibt dann keine Strategien und Reserven, auf die die Psyche zurückgreifen kann.

Wodurch kann ein traumatisches Ereignis entstehen?

Traumatisierende Ereignisse können sehr unterschiedlich sein. So kann ein Autounfall, den man selbst erleidet oder auch „nur“ beobachtet, traumatisierend sein. Je nach Ursache/Verursacher*in können Traumatisierungen entstehen als Folge von:

  • Unfällen/Katastrophen (Flugzeugabsturz, Explosionen, Feuer etc.)
  • Naturkatastrophen (Tsunami, Waldbrand, Überflutungen etc.)
  • Verhalten oder Einwirkungen von Menschen (Misshandlungen, Missbrauch, Krieg, Folter etc.)
Sechs Menschen sitzen in einem Stuhlkreis und reden. Dabei gestikulieren sie.

Bild: © fizkes, Adobe Stock

Verarbeitung von Traumata

Alle Auffälligkeiten und Beschwerden in den ersten Wochen sind normale Reaktionen auf nicht normale Ereignisse, egal wie heftig oder ungewöhnlich die Gefühlszustände erscheinen mögen. Es gibt nach solchen schlimmen Ereignissen kein falsches Erleben. Ihnen darf es selbstverständlich schlecht gehen, Ihnen darf es jedoch auch (ggf. phasenweise) gut gehen. Manchmal wechselt dieser Zustand auch abrupt und damit auch oft unverständlich für die Umgebung. Aber auch diese Reaktionen sind normal.

In der Regel werden solche Ereignisse nach einem bestimmten Muster verarbeitet: Zuerst befinden sich die Betroffenen in einer Art Schockzustand. Der Schock ist eine körperliche Reaktion, die in erster Linie dazu dient, die traumatisierende Situation zu überleben, wieder ein Gefühl von Sicherheit zu erlangen. Das geschieht z. B. dadurch, dass man den Ort des Erlebens verlässt oder sich mit lieben, vertrauten Menschen umgibt.

Dieser Phase folgt eine erste Verarbeitungsphase, in der man sich manchmal ganz schlecht fühlt und in Gedanken, Bildern und Gefühlen immer wieder mit dem Ereignis beschäftigt ist. Dann wiederum hat man den Eindruck, alles ist vorbei und überstanden. Diese Pendelbewegung „es geht schlecht – es geht gut“ ist Teil der Verarbeitung und ganz normal. Schließlich wird in der zweiten Verarbeitungsphase das erlebte und bearbeitete Geschehen in den Alltag eingebaut. Das Trauma wird zu einem Teil des Lebens, über den man berichten kann, ohne die belastenden Gefühle erneut zu erleben. Das ist der natürlich Verlaufsprozess der Traumaverarbeitung.

Um eine traumatisierende Erfahrung zu verarbeiten und sich in der vertrauten Alltagswelt wieder zurechtzufinden und wohlzufühlen, benötigt der Mensch allerdings Zeit. Wenn Sie betroffen sind, nehmen Sie sich die Zeit, das Erlebte zu verarbeiten. Auch wenn Familie und Kolleg*innen der Meinung sind, dass Sie wieder funktionieren müssen, weil es „doch nicht so schlimm war“ oder „schon lange genug vorüber ist“. Bitten Sie Ihre Umgebung, Ihnen die benötigte Zeit zu geben.

Wenn Sie merken, dass Ihre Kräfte nicht ausreichen, dass Sie Unterstützung haben wollen, sollten Sie sich diese suchen und holen. Scheuen Sie sich nicht, nach Hilfe und Unterstützung zu fragen. Insbesondere, wenn Sie nach einiger Zeit merken sollten, dass Sie es alleine nicht schaffen.

In der Regel kann man nach einem halben Jahr an den nachlassenden Beschwerden gut erkennen, ob jemand ein traumatisches Erlebnis gut verarbeitet und das Alltagsleben wieder bewältigt.

Als grobe Anhaltspunkte für die Verarbeitung kann man von folgenden Zeiträumen ausgehen:

  • In den ersten 10 bis 14 Tagen befinden sich Betroffene oft in einer Art Schockzustand. Diese Zeit benötigt der Körper, um vom Überlebensprogramm wieder umzuschalten in das Lebensprogramm. In dieser Zeit scheint alles durcheinander, nichts ist mehr so, wie es vorher war. Jetzt sind ein sicheres Wohnumfeld und der Kontakt zu vertrauten Menschen wichtig. In dieser Zeit kann ggf. eine Krisenintervention in einer Beratungsstelle auch für die Partner*innen bzw. die Familie unterstützend und hilfreich sein, weil alle irgendwie betroffen sind.
  • Die folgende Phase kann bis zu einem halben Jahr und länger andauern. Im Einzelfall spielt hier die Schwere und Art der traumatischen Erfahrung eine Rolle. Falls die Beschwerden nicht nachlassen, sich innerhalb des ersten halben Jahres starke Reaktionen zeigen, kann es jetzt schon sinnvoll sein, Hilfe von Expert*innen in Anspruch zu nehmen.
  • In der Regel kann man nach einem halben Jahr an den nachlassenden Beschwerden gut erkennen, ob jemand ein traumatisches Erlebnis gut verarbeitet und das Alltagsleben wieder bewältigt. Sollte dies nicht der Fall sein, kann eine fachliche Unterstützung durch einen Therapeuten oder eine Therapeutin sinnvoll sein, der/die sich mit der Behandlung von Traumafolgestörungen auskennt. Ggf. sollten körperliche Beschwerden durch eine ärztliche Untersuchung abgeklärt werden, da ein Trauma auch körperliche Folgen im Sinne von psychosomatischen Krankheiten auslösen kann.
  • Es gibt sogenannte Risikofaktoren, die die Verarbeitung eines Psychotraumas erschweren. Hierzu zählen u. a.: der Verlust eines nahestehenden Menschen, vor allem der Verlust eines Kindes; eigene körperliche Verletzungen; eine frühere Traumatisierung; noch andauernde Traumatisierung wie z. B. Krieg oder fortbestehender Kontakt zum Täter oder zur Täterin. Oftmals ist in solchen Fällen frühe Unterstützung entlastend.

Im Folgenden sind einige häufig vorkommende Beschwerden beschrieben. Diese können teilweise oder mehr oder weniger vollständig auftreten, sie können auch von einem Tag auf den anderen wechseln oder ganz verschwinden.

Bitte beachten Sie: Viele dieser Beschwerden und Auffälligkeiten können auch im Zusammenhang mit anderen Erkrankungen auftreten. Falls Sie unsicher sind, sollten Sie in jedem Fall einen Fachberater/eine Fachberaterin oder einen Therapeuten bzw. eine Therapeutin aufsuchen und körperliche Beschwerden auf jeden Fall ärztlich abklären lassen!

Wie bereits erwähnt können traumatisierende Erfahrungen zu unterschiedlichen Problemen führen. Viele betroffene Erwachsene leiden an ähnlichen Beschwerden, unabhängig von Kultur oder Geschlecht. Der Umgang damit kann dagegen von Mensch zu Mensch sehr verschieden sein.

Beschwerden können in vier Gruppen aufgeteilt werden:

  1. Wiedererleben, Wiedererinnern (Intrusionen)
  2. Vermeidungsverhalten
  3. Vergessen (Dissoziationen)
  4. Übererregtheit
Traumatisierte Menschen brauchen viel Geduld und Verständnis für ihre Situation und ihr oftmals verändertes Verhalten.

Reaktionen auf Belastungen

Menschen reagieren sehr unterschiedlich auf belastende Erfahrungen. Erleben z. B. drei Menschen ein und dieselbe belastende Situation, kann ein betroffener Mensch die Belastung ohne Unterstützung bewältigen. Einem/einer anderen reicht eine Beratung aus, um vorhandene Selbstheilungskräfte zu reaktivieren. Eine dritte Person benötigt dagegen eine Psychotherapie, um die Selbstheilungskräfte aufzubauen und zu entwickeln.

Menschen, die ein traumatisches Ereignis erlebt haben, haben die Grenzen ihrer Belastbarkeit erfahren müssen. Dadurch verändert sich vieles in ihrem Selbstverständnis. In diesem Zusammenhang wird die Welt dann oftmals als nicht vorhersehbar und ungerecht erlebt, das Gefühl, das Leben weitgehend unter Kontrolle zu haben, ist erschüttert worden. Das alte (vortraumatische) Weltverständnis lässt sich nicht mit einem Knopfdruck wiederherstellen. Die Selbstheilung muss erst angestoßen werden und wirksam werden können. Bis die ersten Erfolge spürbar werden, sind Betroffene leicht verletzbar. Ihr Verhalten erscheint manchmal unverständlich und fremd. Es dient in erster Linie dazu, eine erneute Traumatisierung zu verhindern. Traumatisierte Menschen brauchen viel Geduld und Verständnis für ihre Situation und ihr oftmals verändertes Verhalten. Werden sie mit ihren unfassbaren Gefühlen und Gedanken und ihren Befindlichkeiten akzeptiert, können sie wieder Anschluss an die Welt bekommen.

Verständnis benötigen Betroffene sowohl von den Familien als auch von Arbeitskolleg*innen und Vorgesetzten. Je nach Art und Schwere eines Traumas braucht ein betroffener Mensch vorübergehend Abstand vom beruflichen Alltagsstress. Ein anderer Mensch wiederum kann sich besser erholen, wenn der Tagesablauf möglichst so ist wie vor dem Ereignis.

Was können Angehörige tun?

Als Angehörige*r können Sie darauf achten, was dem oder der Betroffenen guttut. Betroffene geben in der Regel Signale bzw. können Ihnen sagen, welche Hilfe sie gerade brauchen. Orientieren Sie Ihre Hilfe immer an den konkreten Bedürfnissen des Einzelnen. Bieten Sie Hilfe und Unterstützung an, ohne sich aufzudrängen. Allgemeingültige Patentrezepte gibt es nicht.

Auch Angehörige können ihrerseits belastet werden, etwa durch die Veränderungen im Verhalten der vertrauten Person. Auch sie können spüren, dass nichts mehr so ist wie vor dem Ereignis, können sich hilflos und ohnmächtig fühlen. Auch für Angehörige ist es schwer auszuhalten, dass eine wichtige Hilfe für Betroffene darin bestehen kann, „nur“ anwesend zu sein und „nichts“ zu tun.

Menschen reagieren verschieden auf Erfahrungen und Hilfsangebote. Was für den einen Menschen hilfreich und entlastend ist, kann einen anderen Menschen irritieren und zusätzlich belasten. Unverarbeitete traumatisierende Erfahrungen beeinflussen die Lebensgestaltung (Partnerschaft, Beruf, Freizeit) und die Lebensqualität. Falls Sie betroffen sind, scheuen Sie sich nicht, professionelle Unterstützung zu suchen. Psychotraumata können nicht nur Hilflosigkeit und Ängste auslösen, sie rufen manchmal bizarre und „verrückt“ aussehende Reaktionen hervor, die zusätzlich Ängste auslösen können. Es wird jedoch nicht der traumatisierte Mensch verrückt, sondern das, was er erlebt hat, ist verrückt.

Zwar hat sich gezeigt, dass traumatisierende Erfahrungen bei vielen Menschen ähnliche bzw. vergleichbare Beschwerden und Probleme hervorrufen können. Trotzdem ist es sehr wichtig, dass Sie als Betroffene*r auf sich achten, schauen, was Sie ganz persönlich belastet, und dafür sorgen, dass Sie die Unterstützung erhalten, die Sie konkret benötigen.

Wichtig: Dieser Artikel kann keineswegs eine ggf. notwendige persönliche Fachberatung, Psychotherapie oder ärztliche ambulante oder stationäre Behandlung ersetzen!

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Unfallkasse Hessen sind die Akteure „der zweiten Stunde“.
Ein Feuerwehrmann sitzt angelehnt an einem Einsatzfahrzeug und vergräbt sein Gesicht in den Händen. Vor ihm liegen Helm und Handschuhe.

Bild: © Anja, Adobe Stock

Wie hilft die Unfallkasse Hessen nach traumatischen Erlebnissen im Arbeitsleben?

Die Unfallkasse Hessen ist die gesetzliche Unfallversicherung für mehr als zwei Millionen Menschen in Hessen. Mitgliedsunternehmen sind das Land Hessen und seine Einrichtungen sowie alle hessischen Städte und Gemeinden. Der Unfallversicherungsschutz ist für die Versicherten kostenlos. Die Beiträge tragen Land und Kommunen.

Nach einem traumatischen Erlebnis sind natürlich zuerst Polizei und Rettungskräfte gefragt. Für die Betroffenen ist die psychische Belastung sehr groß. Hilfreich und unterstützend können die Familie, Kolleg*innen oder auch professionelle Beratungsangebote sein.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Unfallkasse Hessen sind die Akteure „der zweiten Stunde“. Ziel der Krisenintervention ist die Verhinderung langfristiger psychischer Beeinträchtigungen. Dafür setzten wir alle geeigneten Mittel der medizinischen, beruflichen und sozialen Rehabilitation ein. Wir steuern und koordinieren gezielt die vorhandenen Hilfssysteme und stellen zusätzliche Betreuungsangebote bereit. Wichtig ist ein möglichst frühzeitiger Kontakt mit uns.

Allerdings: Auch bei guter Nachversorgung können Folgebehandlungen über einen längeren Zeitraum notwendig sein. Um die Versicherten und ihre Familien auch während der Dauer der Rehabilitation finanziell abzusichern, zahlen wir unterstützend Geldleistungen. Verbleibt infolge des Ereignisses ein körperlicher oder seelischer Gesundheitsschaden, zahlen wir unter bestimmten Voraussetzungen eine Rente.

Als Grundlage für diesen Text diente der Artikel von Dipl.-Psych. Monika Dreiner und Dipl.-Psych. Thomas Weber

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Junge vergräbt Gesicht in seinen Händen.
Das Wort „Stress“ wurde mit Bleistift auf ein Blatt Papier geschrieben, dann teilweise ausradiert. Ein Bleistift mit einem Radiergummi am Ende liegt auf dem Papier. Beim Radiervorgang entstandener Dreck wurde nicht entfernt.
Vektorillustration: 5 Personen sitzen an einem Tisch, vor ihnen liegt beschriebenes Papier und eine Lupe.

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