Letzte Änderung: 21. April 2024

Unfälle, arbeitsbedingte Erkrankungen und Berufskrankheiten

Ursachen für Arbeitsunfälle und arbeitsbedingte Erkrankungen erkennen und vermeiden

Unfall- und Gesundheitsgefahren bei der Arbeit können zu einem Arbeitsunfall oder zu einer arbeitsbedingten Erkrankung führen. Daher ist der Unternehmer verpflichtet in einer Gefährdungsbeurteilung Maßnahmen zur Minimierung der Unfall- und Gesundheitsgefahren festzulegen, umzusetzen und deren Wirksamkeit zu überprüfen. Diese Gefährdungsermittlung muss vor Aufnahme der gefährdenden Tätigkeit erfolgen und dokumentiert werden.

Sind die Gefährdungen ermittelt und es hat sich dennoch ein Unfall ereignet oder es ist eine arbeitsbedingte Erkrankung entstanden, müssen die Ursachen ermittelt und abgestellt werden. Dies geschieht in einer Unfalluntersuchung oder Untersuchung der Ursachen für die arbeitsbedingte Erkrankung. Die Ursachen können Mängel in der Gefährdungsbeurteilung selbst oder bei der Umsetzung der Maßnahmen sein. Um diese Ursachen zu finden und durch sinnvolle Maßnahmen abzustellen, muss man das systematische Vorgehen bei der Gefährdungsbeurteilung kennen und auf die Unfalluntersuchung anwenden.

Wir stellen die Gefährdungsbeurteilung hier vereinfacht in zwei Schritten dar, bevor wir auf die Suche nach den Ursachen für Unfälle und arbeitsbedingte Erkrankungen und deren Beseitigung eingehen.

Quelle: Schriftenreihe, Band 5, Seite 32  Bild: © UKH

Schritt 1: Gefahrenquellen, Einwirkungen, Folgen und begünstigende Faktoren ermitteln

Um mögliche Gefährdungen und Belastungen am Arbeitsplatz zu ermitteln und zu beurteilen, werden zunächst alle am Arbeitsplatz möglichen Gefahrenquellen und Einwirkungen ermittelt. Gefahrenquellen können z.B. Maschinen (Kreissäge), Geräte (elektrische Geräte), Menschen (infektiöse Patienten), Tiere (Zecken), Gefahr- oder Biostoffe sein oder sie sind in der Umgebung vorhanden (solare UV-Strahlung) sein.

Von den Gefahrenquellen gehen die Einwirkungen aus. Die Einwirkung beschreibt, was passiert, während die Verletzung oder Erkrankung entsteht. Je nach Art der Einwirkung entsteht als Folge, eine Verletzung oder eine arbeitsbedingte Erkrankung.

Eine Einwirkung ist z.B., sich zu schneiden. Die Folge ist eine Schnitt- oder Amputationsverletzung. Eine weitere Einwirkung ist, gesundheitsschädlichem Lärm ausgesetzt sein. Die Folge ist eine arbeitsbedingte Erkrankung, die Lärmschwerhörigkeit.

Begünstigende Faktoren erhöhen die Wahrscheinlichkeit, eines Unfalls oder einer arbeitsbedingten Erkrankung. Dazu gehören z.B. schlechte Beleuchtung an einer Treppe, wodurch die Stufenkanten schlechter sichtbar sind und Stürze deshalb wahrscheinlicher werden.

Schritt 2: Schutzmaßnahmen vor Unfällen und arbeitsbedingten Erkrankungen

Durch Schutzmaßnahmen soll das Risiko maximal gesenkt und bestenfalls ganz beseitigt werden.
Das Risiko wird dabei bestimmt durch

  • die Eintrittswahrscheinlichkeit einer bestimmten Schwere der Folge
  • die Schwere der Folge auf einer Scala von Bagatellverletzungen bis zu tödlichen Verletzungen.

Bei der Bestimmung des Risikos legt man zunächst die Schwere der erwarteten Folge fest und schätzt dann deren Eintrittswahrscheinlichkeit ab.

Eine Minimierung des Risikos kann somit durch eine Senkung der Eintrittswahrscheinlichkeit und/oder durch eine Verringerung der Schwere der Folge erreicht werden.

Eine Warnkleidung z.B. verringert die Wahrscheinlichkeit auf der Straße angefahren zu werden, mindert aber nicht die Schwere der Folge, wenn es passiert. Eine schusssichere Weste verringert die Schwere der Folge deutlich, wenn man von einem Projektil getroffen wird, setzt die Wahrscheinlichkeit getroffen zu werden aber nicht herab.

Die Schutzmaßnahmen sind in die Maßnahmenhierarchie des TOP-Schemas eingeordnet:

Technische Maßnahmen (T)

  • Beseitigung der Gefahrenquelle (z.B. sehr laute durch leisere Geräte ersetzen)
  • Einsatz technischer Hilfsmittel (z. B. einer Hebehilfe bei Rückenbeschwerden) oder technischer Schutzeinrichtungen (z. B. ein Kontaktschalter, der eine Maschine beim Öffnen einer Abdeckung ausschaltet)
  • Kapselung von lauten Maschinen

Organisatorische Maßnahmen (O)

  • arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen organisieren
  • Erste Hilfe organisieren
  • regelmäßige Prüfung von Arbeitsmitteln auf deren sicheren Zustand veranlassen

Personenbezogene Maßnahmen (P)

Technische Maßnahmen sind zuverlässiger und daher den organisatorischen und personenbezogenen vorzuziehen.

Eine Gefährdungsbeurteilung für das Sägen mit einer Kreissäge

Ein rotierendes Sägeblatt einer Kreissäge ist eine Gefahrenquelle, von der die Einwirkung „sich schneiden“ ausgeht. Die Folge dieser Einwirkung ist eine Schnitt- oder Amputationsverletzung. Als begünstigender Faktor kann schlechte Beleuchtung an der Kreissäge, die Wahrscheinlichkeit erhöhen mit der Hand an das Sägeblatt zu geraten und sich zu verletzen.

Entsprechende Schutzmaßnahmen sind:

  • Technisch: Automatischen Vortrieb oder Schiebestock verwenden, um mit den Händen nicht in die Nähe des Sägeblattes zu kommen. Ausreichende Beleuchtung sicherstellen. Die Kreissäge muss über einen Not-Aus-Schalter und eine Nachlaufbremse als Sicherheitseinrichtung verfügen.
  • Organisatorisch: Regelmäßige Prüfung der Sicherheitseinrichtungen der Kreissäge organisieren. Nutzung auf unterwiesene Personen beschränken. Ein-Aus-Schalter abschließen, um unbefugte Nutzung zu unterbinden.
  • Personenbezogen: Die Nutzer der Kreissäge anhand einer Betriebsanweisung über die sichere Nutzung unterweisen.
Bild: © michelsass, Adobe Stock
Arbeitsschutz: Schutzbrille und Gehörschutz liegen am Arbeitsplatz.

Ursachen für Unfälle und arbeitsbedingte Erkrankungen erkennen

Hat sich ein Unfall ereignet oder ist eine arbeitsbedingte Erkrankung entstanden, müssen die Ursachen ermittelt und beseitigt werden.

Die Ursachen für Unfälle und arbeitsbedingte Erkrankungen lassen sich, analog zu den Maßnahmen, nach dem TOP-Schema drei Bereichen zuordnen:

  • Technische Ursachen (T)
    • Arbeitsmittel haben Defekte (z. B. eine beschädigte Isolierung an einem Elektrokabel)
    • Gebäude weisen Mängel auf (z. B. eine schwer erkennbare Stolperstelle)
  • Organisatorische Ursachen (O)
    • wiederkehrende Prüfungen von Arbeitsmitteln werden nicht veranlasst
    • Unterweisungen werden nicht durchgeführt
    • Erforderliche persönliche Schutzausrüstung wird nicht gestellt
  • Personenbezogene, verhaltensbedingte Ursachen (P)
Häufig wirken verschiedene Ursachen zusammen. Dabei kann ein Unfall oft schon durch das Ausschalten einer einzelnen Ursache verhindert werden.

Ursachen können auch eine Ursachenkette bilden, bei der eine Ursache die nächste bedingt. Schaltet man die Ursache am Anfang der Kette aus, sind auch die nachfolgenden Ursachen beseitigt und ein Unfall kann vermieden werden. Zum Beispiel kann die wiederkehrende Prüfung von Geräten den Einsatz defekter Geräte verhindern, deren Nutzung zu einem Stromschlag führen kann.

Die Suche nach der Ursache beginnt man, indem man die Schritte1 und 2 der Gefährdungsbeurteilung auf die Tätigkeit anwendet, bei der sich der Unfall ereignet hat oder bei der die arbeitsbedingte Erkrankung entstanden ist. Hat man die Maßnahmen ermittelt, ergibt der Soll-Ist-Vergleich Hinweise auf die Ursache.

Ursachenermittlung für eine Lärmschwerhörigkeit

Entwickelt ein Beschäftigter des Bauhofs eine Lärmschwerhörigkeit, ermittelt man die Lärmquelle (Gefahrenquelle) und die Lärmbelastung (Einwirkung). Man legt die Maßnahme „Gehörschutz tragen“ fest und macht den Soll-Ist-Vergleich. Der zeigt uns, dass der Gehörschutz nicht getragen wurde. Die Frage warum, liefert die Ursache. Mögliche Antworten sind, es wurde kein Gehörschutz gestellt oder der Beschäftigte hat den Gehörschutz nicht getragen, weil er nicht ausreichend über die Folgen der Lärmeinwirkung unterwiesen wurde. Die Maßnahme wäre dann entweder den Gehörschutz zu stellen oder die Unterweisung zu intensivieren und das Tragen des Gehörschutzes konsequenter zu kontrollieren.

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