Letzte Änderung: 28. Mai 2023
Auswirkungen von psychischen Belastungen und Stress
Wo setzt die Gefährdungsbeurteilung Psychischer Belastung an?
Belastung, Stress, Beanspruchung: Ist das nicht dasselbe?
Anders als im alltäglichen Sprachgebrauch, in dem die Begriffe Belastung und Beanspruchung häufig mit etwas Negativem, „Belastendem“ gleichgesetzt werden, gibt es im wissenschaftlichen Kontext eine klare Trennung bei der Definition dieser Begriffe.
Psychische Belastung
Die internationale Norm DIN EN ISO 10075-1 definiert psychische Belastung als „Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken“.
„Psychisch einwirken“ bedeutet, dass die Belastung Einfluss darauf nimmt, wie eine Person etwas erlebt, denkt oder sich verhält. Auf die Arbeit bezogen sind Belastungen also nichts anderes als die Arbeitsbedingungen, die an einem Arbeitsplatz vorzufinden sind. Sie können folgenden sechs Bereichen zugeordnet werden:
- Arbeitsinhalt/Arbeitsaufgabe
- Arbeitsumgebung
- Arbeitsorganisation
- soziale Beziehungen
- Arbeitszeitgestaltung
- Verwendung von Arbeitsmitteln.
Beanspruchung
Die Beanspruchung hingegen ist Folge der Belastung. Sie ist definiert als „unmittelbare (nicht langfristige) Auswirkung der psychischen Belastung im Individuum in Abhängigkeit von seinen jeweiligen überdauernden und augenblicklichen Voraussetzungen, einschließlich individueller Bewältigungsstrategien“ (DIN EN ISO 10075-1).
Sowohl zu hohe als auch zu geringe Belastungen können zu einer Fehlbeanspruchung führen. Ein einfacher Erklärungsansatz, um zu verdeutlichen, was psychische Belastung und deren Folgen sein können, ist das Belastungs-Beanspruchungs-Modell.
„Es geht um die Optimierung der Arbeitsbedingungen.”
Auswirkungen von psychischer Belastung
Ob sich eine Belastung auf positive oder negative Weise auf die Beschäftigten auswirkt, hängt auch von deren individuellen Voraussetzungen und Bewältigungsstrategien ab (DIN EN 10075-1).
In welchem Ausmaß sich psychische Belastung auswirkt, wird also durch individuelle Faktoren wie Fähigkeiten, Qualifikation, Motivation, Einstellungen aber auch durch persönliche Eigenschaften wie Gesundheit, Alter und Geschlecht beeinflusst.
Ein und dieselbe Tätigkeit kann von erfahrenen Beschäftigten als Routinearbeit bewertet werden, während Berufseinsteiger*innen sich durch dieselben Anforderungen überfordert fühlen. Routinierte Beschäftigte erleben als Folge der Beanspruchung möglicherweise einen Übungseffekt und fühlen sich kompetent durch die erfolgreich bewältigte Aufgabe. Für weniger Erfahrene führt die Überforderung eher zu erhöhtem Stress. Daher ist die Belastungs-Beanspruchungs-Verknüpfung gemeinsamer Bestandteil vieler Stressmodelle.
„Für weniger Erfahrene führt die Überforderung eher zu erhöhtem Stress.”
Stressoren und Ressourcen
In diesen Stressmodellen werden negativ gestaltete Belastungsfaktoren (z. B. ungünstige Arbeitsbedingungen) als Stressoren bezeichnet, die zu Stressreaktionen bzw. Stressfolgen führen. Den Stressoren gegenüber stehen die Ressourcen. Sie schützen Beschäftigte wie ein Stoßdämpfer vor den negativen Auswirkungen psychischer Fehlbeanspruchung. Sie können dazu beitragen, die Wirkung der Stressoren abzumildern oder sogar auszugleichen.
Unterschieden wird zwischen betrieblichen und persönlichen Ressourcen. Als wichtige betriebliche Ressourcen gelten beispielsweise angemessene Handlungsspielräume, ein intaktes Betriebsklima und soziale Unterstützung durch Kollegen und Kolleginnen. Auch die regelmäßige Rückmeldung zu den eigenen Arbeitsergebnissen sowie die soziale Unterstützung durch die Vorgesetzten zählen dazu. Persönliche Ressourcen können ein guter Umgang mit Stress (z. B. Entspannung, Bewegung, Ausgleich) oder ein gutes Zeitmanagement sein.
Individuelles Optimieren von Arbeitsbedingungen
Psychische Belastung entsteht nicht nur am Arbeitsplatz, sondern kann auch außerbetriebliche Ursachen haben.
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Darauf hat das Unternehmen in der Regel keine bis wenig Einflussmöglichkeiten. Auf der betrieblichen Ebene gibt es jedoch viele Möglichkeiten, um psychische Belastung zu optimieren und/oder betriebliche und persönliche Ressourcen zu fördern. Dazu können beispielsweise zusätzliche Hilfsmittel bereitgestellt werden, technische Veränderungen vorgenommen oder organisatorische Maßnahmen ergriffen werden.
Bei der Gestaltung von Arbeit geht es folglich nicht um die Reduzierung der psychischen Belastung an sich, da diese nicht per se negativ ist. Es geht vielmehr um die Optimierung der Arbeitsbedingungen: Die Anforderungen, die sich aus einer Tätigkeit ergeben, müssen den individuellen Voraussetzungen der Mitarbeitenden gerecht werden.
Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung
Angelehnt an die Leitlinien der GDA lassen sich sechs Bereiche der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung unterscheiden:
- Arbeitsinhalt/Arbeitsaufgabe
- Arbeitsorganisation
- Soziale Beziehungen
- Arbeitsumgebung
- Arbeitszeitgestaltung
- Verwendung von Arbeitsmitteln.
Werden die jeweiligen Bedingungen verbessert, schützt dies nicht nur die Gesundheit der Beschäftigten, sondern fördert auch deren Motivation und Zufriedenheit. Dies kann sich positiv auf Produktivität und Qualität der Arbeitsleistung, Betriebsklima, Reduzierung von Fehlzeiten, Fehlerquoten und Unfallgeschehen auswirken.
Umgekehrt stellen ungünstige Arbeitsbedingungen ein Gesundheitsrisiko dar: Beschäftigte können erkranken und ausfallen oder trotz Anwesenheit weniger leisten und häufiger Fehler machen. Darunter leidet nicht nur das Arbeitsergebnis, sondern auch das Betriebsklima und die betroffene Person selbst.
Weitere Informationen, gesetzliche Grundlagen und Praxishilfen finden Sie hier:
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Um Arbeitsschutzkoordinator*innen in ihrer Tätigkeit zu unterstützen, bietet die UKH ein abgestimmtes Qualifizierungskonzept an, welches insgesamt vier Module umfasst:
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- Basisqualifizierung 2: Organisation von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit
- Aufbaumodul: Gefährdungsbeurteilung – Einführung für Führungskräfte
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