Letzte Änderung: 20. April 2024

BSG urteilt: Unfälle auf dem Weg zur Arbeit vom „dritten Ort“ anerkannt

Der Arbeitsweg ist auch versichert, wenn man ihn nicht von der eigenen Wohnung aus antritt

Das Bundessozialgericht (BSG) hatte gleich in zwei Fällen zu entscheiden, ob auf dem Arbeitsweg auch dann der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung besteht, wenn Beschäftigte nicht von zu Hause aus zur Arbeit starten.

Fall 1

Der Kläger war in der Wohnung seiner Eltern in D. polizeilich gemeldet. Dort bewohnte er ein Zimmer und hatte seine gesamte Habe untergebracht. Er war in D. als Auslieferungsfahrer beschäftigt. Nach Feierabend fuhr er in der Regel zunächst in die elterliche Wohnung und nahm dort eine Mahlzeit ein. Anschließend suchte er regelmäßig montags bis freitags seine Freundin in M. auf und übernachtete in ihrer Wohnung, um dann am Folgetag von dort aus zu seiner Arbeitsstätte zu fahren. Der Kläger nutzte über einen längeren Zeitraum beide Wohnbereiche und bewegte sich während der Werktage zwischen ihnen. Der Weg von der Meldeadresse zur Arbeitsstätte betrug 2 km, der Weg von der Arbeitsstätte zur Wohnung der Freundin 44 km. Am Unfalltag verunglückte der Kläger mit seinem Pkw auf dem direkten Weg von der Wohnung seiner Freundin zu seiner Arbeitsstätte. Dabei zog er sich zahlreiche Verletzungen zu. Die Berufsgenossenschaft lehnte einen versicherten Wegeunfall ab.

Ein blaues 3D-Modell des Symbols für „Paragraph“.
Bild: © sk_com, Adobe Stock
DAS URTEIL

Fall 2

Der Kläger war bei einer gemeinnützigen GmbH in N. in der Personenbeförderung tätig. Er wohnte in B., das 4,3 km von der Arbeitsstätte entfernt war. Der Kläger holte als Fahrer am frühen Morgen Teilnehmer zu Hause ab und brachte sie zu seinem Arbeitgeber. Diese Tätigkeit beendete er regelmäßig um 9 Uhr. Ab 15:30 Uhr holte er die Teilnehmer wieder von dort ab und brachte sie nach Hause. Am 14.10.2015 beendete der Kläger seinen morgendlichen Dienst gegen 9 Uhr. Danach hielt er sich bis zum Beginn seines Nachmittagsdienstes bei einem Freund in K. auf. Am Nachmittag fuhr er mit seinem Motorrad in Richtung seiner Arbeitsstätte in N., um dort seinen Dienst als Fahrer aufzunehmen. Der von seinem Freund aus angetretene Weg zur Arbeitsstätte betrug 15,7 km. Auf diesem Weg erlitt er einen Verkehrsunfall und zog sich Verletzungen zu.

Die Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung als Wegeunfall ab, weil der Kläger den Unfall nicht auf einem versicherten Weg von seiner Wohnung zur Arbeitsstätte, sondern auf einem unversicherten, von seinem Freund aus angetretenen Weg erlitten habe.

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DAS URTEIL

Das Urteil

In beiden Urteilen vom 30.1.2020 hat das Bundessozialgericht BSG entschieden, dass für die Bewertung des Schutzes in der gesetzlichen Unfallversicherung bei Wegeunfällen keine einschränkenden Kriterien mehr gelten, wenn der Weg von einem so genannten „dritten Ort“ aus angetreten wird.

Die Begründung

Das BSG hat in seinen Urteilen ausdrücklich klargestellt:

Es kommt für den Versicherungsschutz

  • weder auf den Zweck des Aufenthalts an dem dritten Ort an
  • noch auf einen Angemessenheitsvergleich der üblichen Weglänge und Fahrzeit des Arbeitswegs.

Diese Kriterien werden nämlich im dafür maßgeblichen Siebten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) nicht genannt und die Ablehnung des Versicherungsfalls aus den aufgeführten würde ansonsten zu ungerechten Ergebnissen führen.

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